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Das Einstellen der Kamera |
Ich erinnere mich wohl nicht ohne ein stilles Lächeln unterdrücken zu können, wie ich mit meinem Bruder einmal den Vater, der auch zu den „nassen“ Amateuren gehörte, auf einer photographischen Exkursion, die zumeist wohl nicht weit vom Hause weggingen, begleitete.
Während Väterchen im dunklen Kasten, das schwarze Tuch unter den Armen zusammengebunden, mit seinen Platten zauberte, hetzten wir unseren Hund herum. Leider kam dieser aber bei einem Rückzuge von unseren Angriffen mit den Beinen des Künstlers, sowie den Füßen, worauf der Kasten stand, in eine derartige Verwickelung, daß alles ins Wanken und Schwanken geriet, bis Platten, Flaschen, Tassen, Kasten samt dem Amateurphotographen, der sich erst mit Mühe aus seinem verwüsteten, dunklen Versteck losmachen konnte, in einem wirren Knäuel durcheinander lag. Eine silbergeschwärzte Wange meinerseits, die von einer mir unliebsamen Berührung mit der silbergebadeten Hand meines Vaters herrührte, war so ziemlich das beste Bild unserer damaligen Exkursion.
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Entfalten des Photoapparates |
Welcher Photograph von dazumal war nicht schon von weitem an seinen mit geschwärztem Silber befleckten Händen oder durch den Äthergeruch seines Laboratoriums zu erkennen? Jedermann fürchtete sich, einem Photographen für ein paar Stunden ein Zimmerchen zu einem improvisierten Laboratorium abzutreten, da stets an Tischen, Stühlen und Boden die schwarzen Spuren seiner Tätigkeit zurückblieben.
Welcher Gegensatz zu heute!
Ein Tornisterchen am Rücken oder als Tasche in der Hand
wandert der heutige Amateurphotograph durch Berg und Tal, durch Stadt und Land,
schöne Erinnerungen oder auch wertvolle Studien von den durchwanderten Gegenden
sammelnd. Ja, noch mehr! Ein Paket oder Buch in der Hand, dessen äußere Form
den photographischen Momentapparat verdeckt, fängt er auf seinen Platten
zusammen, was da kreucht und fleucht. Vom Hut hängt ein Schnürchen herunter,
wie zur Sicherheit gegen den Wind, ein Zug an demselben und das gegenstehende
Objekt hat sein Bild in der im Hut verborgenen Geheimkamera abgedrückt. Im
Knopfloch sitz das wunderwirkende Kleinod oder als Uhr in der Westentasche. Und
mit welcher Reinlichkeit kann gegen früher alles gehandhabt werden. Auf der
Reise plagt man sich mit keinen zerbrechlichen Flaschen und Tassen, mit
Glaceehandschuhen läßt sich die heutige Amateurphotographie betreiben, weshalb
sie sich denn auch schon in allen Kreisen als Liebling eingebürgert hat. Ein
fröhlicher Freundeskreis, eine lustige Jagdgesellschaft, eine heitere
Tafelrunde sitzt beisammen, da zieht einer ein Kästchen aus der Tasche,
entfaltet es zu einem photographischen Apparat und ehe man sich´s verhofft, ist
man auch schon auf der lichtempfindlichen Platte festgebannt.
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Geschlossener Apparat auf dem Stativ |
Während früher im nassen Kollodiumverfahren es fast
unbedingt notwendig war, in der Chemie eineige Vertrautheit zu besitzen, um
nicht sein Geld in verdorbenen Silberbädern und Chemokalien zum Fenster
hinauszuwerfen und von der ganzen Amateurphotographie nichts als Verdruß und
Ärger zu haben, braucht man heute, ich wage es getrost zu sagen, wenn man
nichts weiter als ein paar hübsche Bilder, Landschaften. Gruppen ec, machen
will, von der Chemie wohl nicht viel mehr zu verstehen als etwa der Bock von
der Gärtnerei.
Die Photographie auf Trockenplatten läßt sich ohne
Lehrmeister spielend in kürzester Zeit erlernen. Ja, es kommt vor, daß Leute
heute vom Händler einen photographischen Apparat mit Laboratorium und Gebrauchsanweisung,
odr sagen wir doch mit einem kurzgefaßten Handbuch der Photographie beziehen
und in ein paar Tagen bereits im Besitze ganz netter selbstgefartigetr Bilder
sind. Ich habe in der Kunstanstalt für Amateurphotographie des Herrn R. Lechner
in Wien zum wiederholten Male die Gelegnheit gehabt, eingesandte
Erstlingsaufnahmen zu sehen, die meine Bewunderung erregten. Und doch darf man
dies Resultat nicht allein der Güte des Apparates – Davids photographischer
Salon- und Reiseapparat – oder dem Genie des angehenden Photographen, sondern
hauptsächlich der Einfachheit des Verfahrens zuschreiben.
Überblicken wir einmal ganz flüchtig die Herstellung eines
Negativs, von dem dann in beliebiger Anzahl positive Kopien auf Papier
hergestellt werden können, welche Arbeit an Leichtigkeit der Erlernung noch den
Negativprozeß übertrifft.
Der im Tornister sorgfältig verpackte Apparat wird auf das
zerlegbare oder als Stock verwendete Sativ aufgesetzt und sodann entfaltet.
Nach Ansetzung des separat aufbewahrten Objektivs an die Camera wird das
aufzunehmende Bild mittels eines Triebes oder einer Schraube und eventueller
Zuilfenahme einer Lupe auf der matten Glasscheibe schafr eingestellt und der
Apparat zur Vermeidung jeder weiteren Verschiebung mittels der Klemmschrauben
am Stativ fixiert. Nachdem man nach der Helligkeit des Objektes die
Expositionszeit, die näherungsweise auch aus Tabellen entnommen werden kann,
beurteilt hat, wird an Stelle der matten Scheibe die Kasette mit der
lichtempfindlichen Platte eingeschoben und exponiert. Um mehrere Aufnahmen
nacheinader zu machen, sind im Tornister fünf bis sechs Doppelkasetten mit je
zwei Platten verwahrt, die hernach in einem dunklen Zimmer oder des Nachts, da
man auf Reisen zumeist im Tage mit zehn bis zwölf Aufnahmen ausreicht, beim
Lichte einer kleinen roten Laterne ausgewechselt werden. Ob die Platten nach
Wochen oder nach Monaten entwickelt werden, ist gleichgültig, nur müssen bis
dahin die exponierten Platten gegen jedes Licht und Feuchtigkeit geschützt
werden. Zu Hause richtet man sich ein dunkles Kämmerchen her, in welchem nun
die Platten bei rubinrotem oder braunem Licht entwickelt werden.
Man gibt zu diesem Zwecke die exponierte Platte, auf der
noch das Bild verborgen ist, in eine Tasse mit Entwicklungsflüssigkeit, die man
entweder schon vorgerichtet beziehen oder bei größerem Bedarfe selbst leicht
herstellen wird. Nach kurzer zeit zeigen sich bei richtiger Expositionsdauer
auf der während der Entwicklung in schaukelnder Bewegung befindlichen Platte
die hellsten Lichter als sich allmählich schwärzende Partien, es tritt immer
mehr und mehr vom Bilde hervor, bis endlich dasselbe vollständig detailliert
erschienen ist und sich auch auf der Rückseite der Platte zeigt. Hat man etwas
zu kurz oder zu lang exponiert, so kann durch geeignete Hilfsmittel der Fehler
gleich ausgebessert werden. Nach einigen aufmerksamen Aufnahemn und
Entwicklungen trifft man auch die Expositionszeit ziemlich genau. Das
entwickelte Bild wird mit Wasser gut abgespült und in das Fixierungsbad gelegt.
Das fixierte Bild kann nun ans Tageslicht gebracht werden, wird gut gewaschen
und zur Auswässerung der letzten Spuren des sonst die Gelatineschicht
zerstörenden Fixiernatrons einige Stunden in öfters erneuertes Wasser gelegt.
Hierauf wird das Negativ an einem staubfreien Ort getrocknet und eventuell zum
Schutze der Gelatineschicht mit einem durchsichtigen Lack übergossen.
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Das Photolabor |
Von diesem Negativ lassen sich beliebig viele positive
Abdrücke auf photographisches Papier machen, welches man ebenfalls schon zum Gebrauche
hergerichtet in den verschiedensten Sorten zu kaufen bekommt. Will man recht
wenig Mühe und trotzdem sehr nette Bilder haben, so empfiehlt es sich, die
Bilder auf „Liesegangs Aristopapier“ zu kopieren. Die Kopien werden, wie sie
aus dem Kopierrahmen kommen, in das Tonfixierbad gelegt, wodurch sie
gleichzeitig eine schöne Farbe bekommen und, gegen das Licht gesichert, fixiert
werden. Nachdem man nun die fixierten Bilder gut gewaschen, werden sie
getrocknet und mittels Kleister auf Karton geklebt.
Wenn wir aus dieser flüchtigen Skizze auch noch nicht das
Photographieren erlernt haben, so hat sie uns doch gezeigt, daß die Technik der
heutigen Photographie sehr leicht zu erlenen ist.
Die einst auf einen engen Berufskreis beschränkte
Lichtbilderkunst greift immer tiefer und tiefer in das ganze Publikum ein und
wird zum Gemeingut aller Menschen. Aber nicht bloß als Spielerei, um sein Album
mit selbstgefertigten Porträts undLandschaftn zu bereichern, betreibt der
eigentliche Amateurphotograph diese schöne Kunst, nein, das ist nur die erste
Stufe, die er zu nutzbringendem Wirken betritt. Wir haben die gegnwärtigen
Fortschritte in der Photographie fast ausschließlich Amateuren zu verdanken,
die wie Pioniere den Weg immer weiter bahnen und die Photographie zu allgemeinem
Nutzen, zu den interessantesten Forschungen in den Naturwissenschaften führen.
Während Elektrizität und Galvanismus, sagt Stein, der sich
mit der Anwendung der Photographie in verschiedenen Wissenschaften großes
Verdienst erworben hat, für die gegnseitige Annäherung der Völker dienstbar
gemacht wurden, während der Dampf den heutigen weltbewegenden Verkehr
geschaffen und zur Hebung und Förderung der Industrie in ungeahntem Maße
beigetragen, während die Lehre vom Schalle ihre praktische Verwertung in der
Musik gefunden, war es den Strahlen der Sonne vorbehalten, auf den
verschiedensten Gebieten der Wissenschaft und Kunst durch die Photographie in
mannigfacher Richtung Großes und Bewundernswertes zu leisten. Wie die anderen
genannten Fächer wurde auch sie in erster Linie dem praktischen Leben nutzbar
gemacht, bis in der neuesten Zeit ihre Leistungsfähigkeit für wissenschaftliche
Studien erkannt wurde, um in kurzer zeit
zu bedeutenden und erfolgreichen Resultaten zu führen.
Durchfliegen wir einmal ganz flüchtig die Bestrebungen und
Erfolge, die bis jetzt die Amateurphotographie zu Tage gefördert hat, ohne des
Umstandes eingehender zu erwähnen, daß die Photographie ihren gegenwärtigen
Höhepunkt zumeist Amateuren zu verdanken hat.
Die Astronomie, die Königin der Wissenschaften, hat sich die
Photographie als wertvolles Hilfsmittel ihrer Erforschung der Sternenwelt
dienstbar gemacht. Die photographischen Sonnen- und Mondbilder, die Aufnahmen
der Planeten und Kometen, die Erscheinungen auf der Sonne, die insbesondere zur
Zeit derFinsternisse sichtbaren Lichtwolken, Protuberanzen, die wie ungeheure
Brände und Feuerflammen dem sonnenkörper entstömen und zu Tausenden von Meilen
emporgeschleudert werden, die fernsten Sternhaufen, die mitunter wegen ihrer
fast endlosen Entfernung sich für das fernrohr nur in ein schwachleuchtendes
Lichtwölkchen zusammendrängen, die so mannigfach gestalteten Nebelflecke, die
der beste Zeichner nicht naturgetreu wiederzugeben vermag, werden in dem
Dunkelraum der photographischen Camera festgebannt- zu vergleichenden Studien
und zur Belehrung der Mit- und Nachwelt.
Welchen Gegensatz dazu bildet die Mikrophotographie! Der
Mikroskopiker ist durch die Photographie in den Stand gestezt, das mühsam
präparierte Objekt im Bilde zu fixiern. Auch die Meteorologie- die ganze Physik
versucht aus der Photographie ihren Nutzen zu ziehen. Der rasche Blitz, der
prachtvolle Strahlenkranz des Nordlichtes, die eilig dahineilende Sternschnuppe
werden trotz der Schnelligkeit des Entstehens und Wiedervergehens dieser
phänomene gezwugen ihr Bild und ihren Weg auf der photographischen
Momentaufnahe zu hinterlassen. Meeresströungen in den Tiefen der Weltmeere
verraten sich mittels der Photographie, die der Kanone enteilende Kugel bildet
sich mittels geeigneter Vorkehrungen photographisch ab und läßt ihre rotierende
Bewegung, sowie die Form der ihr vorauseilenden Luftwelle erkennen. Ganz
unbezahlbare Dienste verspricht auch die Photographie den medizinischen Studien
zu leisten, um beispielsweise den Entwicklungsgang einer Krankheit zu
verfolgen.
Momentaufnahmen von sich bewegenden Menschen oder Tieren,
von fliegenden Vögeln zeigen Stellungen, die das Auge gar nie zu erfassen im
Stande ist. Wird Raschheit in der Aufnahme verlangt, um beispielsweise das
Leben und Treiben der Tierwelt zu belauschen, so bietet uns die jetzt so
überaus vervollkommnete Momentphotographie das einzige Mittel, dies zu
erreichen. Die neuesten künstlichen Lichtquellen, z.B. das Blitzpulver,
gestatten uns Höhlen, Bergwerke, Katakomben und dergl. aufzunehmen.
Der Forschungsreisende, der Tourist, der Ingenieur
profitieren von dieser einmaligen Errungenschaft ebenso wie das Dedektiv- und
Polizeiwesen sowie das Militärwesen.
Beispielsweise im deutsch-französischen Krieg korrespondierte, während der
Belagerung ganz Paris mittels Luftballons und Taubenpost mit der Außenwelt. Es
wurden die Depeschen ganz klein photographiert und zu Tausenden, in einem
Federkiele eingeschlossen, durch die Taube expediert.
So oberflächlich dieser Durchblick über die vielfache
Verwendung der Photographie in Kunst und Wissenschaft, sowie im öffentlichen
Leben war, so sahen wir doch, wie sich heute die photographische Kunst fast
überall ihre Wege gesucht und gebahnt hat und wie ein goldener Faden sich durch
das Leben und Treiben, Forschen und Streben der Menschen zieht. Mögen diese
Zeilen ein Scherflein beigetragen haben, Sympathie für die Photographie zu
erwecken und ihr neue Freunde zu erwerben.
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